Pressebericht SZ Ehingen

Der Baum ist sein Bruder, der Adler sein Krafttier

Uwe Köhle erweckt mit seiner Kettensäge tote Bäume zu neuem Leben

Während andere damit Bäume fällen, schenkt er den Bäumen mit der Motorsäge ein zweites Leben als Skulptur: Kettensägen-Künstler Uwe Köhle.

Holzkunst Uwe Köhle 1

 

 

Simon Haas

Schelklingen sz „Ein Auto muss man zuerst träumen“, hat der Sportwagen-Visionär Enzo Ferrari einmal gesagt. Skulpturen aus Holz vermutlich auch. Denn die besten Ideen überraschen Holzkünstler Uwe Köhle oft im Schlaf. „Minute x“ nennt der gelernte Maschinenschlosser diesen Moment. Wenn er dann mitten in der Nacht mit Schutzkleidung und Gehörschützer seine Kettensäge anwirft, ihm das Adrenalin durch die Adern schießt, ist der 45-jährige Schelklinger in seinem Element – „eine Erfahrung, die ich in meinem alten Job nie hatte“, sagt er.

Mittwochvormittag in einer Industriehalle südlich von Schelklingen: Eine Meise flötet im Dachgebälk, es riecht nach Leinöl und frisch geschnittenem Holz. In einer Ecke lagern unbearbeitete Baumstämme, darunter eine jahrhundertealte Mooreiche. In der Mitte des Raumes, an einem grün lackierten Hallenkran, hängt der ausgehöhlte Stamm eines alten Birnbaums, immer noch rund eine Tonne schwer; ein befreundeter Landwirt hat sie mit Traktor und Frontlader von Ehingen in die Schelklinger Halle gekarrt. Uwe Köhle klappt das Visier seines Schnittschutzhelms herunter und wirft seine kleine Kettensäge an. Dann hält er kurz inne. „Im Endeffekt steht die Skulptur schon von alleine da, ich muss mit meiner Säge nur der Natur folgen“, sagt Köhle und setzt das Schwert seiner Motorsäge an einem bereits vorhandenen Riss im Stamm an – und sägt. Minutenlang. Schließlich löst sich ein gut 50 Zentimeter langes Holzstück aus dem alten Birnbaum. Das Mark des Holzscheits ist bereits herausgefressen, an der Jahresringgrenze ist er morsch und faulig. „Da waren Ameisen und Würmer drin“, sagt Köhle, reißt ein fauliges Stück heraus und zerbröselt es in seinen Händen. Wie alle Bäume, die der Holzkünstler bearbeitet, ist die Birne längst tot. Uwe Köhle erweckt sie zu neuem Leben. Und das ausgerechnet mit einer Kettensäge.

Köhles martialisch anmutende Arbeitsweise sieht man dem Ergebnis allerdings nicht an: Mannshohe Skulpturen mit organischen, geschwungenen Formen, die sich wie hölzerne Flammen in die Höhe winden. Lediglich eine Skulptur scheint in seiner Werkstatt aus dem Rahmen zu fallen: „Mechanik“ heißt das streng geometrisch gestaltete Objekt. „Das ist bereits vier Jahre alt“, erklärt Köhle, „und stammt aus einer Zeit, als ich noch nicht ganz gelöst von meinem Beruf war“. Köhle ist eigentlich Maschinenschlosser. 27 Jahre arbeitete er in diesem Beruf. So richtig warm geworden ist er mit „kaltem Metall, Bohrwasser und Öl“ nie. Dann folgten persönliche Krisen. Köhle kündigte seinen Job, war viel im Wald unterwegs. Schließlich entdeckte er den „warmen und lebendigen Werkstoff Holz“ neu, aus dem schon sein Großvater kleine Holzfiguren schnitzte. 2010 begab sich Köhle auf eine schamanistische Meditationsreise, begegnete seinem „Krafttier“, dem Adler, der immer noch als Branding seine Skulpturen schmückt. Ein Jahr später fasste er den nötigen Mut für ein Leben als freischaffender Künstler. Heute sagt Köhle: „Bäume sind meine Brüder“. Und: „Hier in der Halle kann ich endlich das ausleben, was ich in meinem Metaller-Job nie konnte: meine Kreativität.“

 

 

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